So sieht die Arena der Zukunft aus

Die USA zeigen eindrucksvoll, wie eine Arena als 365 Tage Destination funktioniert. In den DACH Ländern gibt es erste Überlegungen in diese Richtung. Ein vollständig ausdifferenzierter und integrierter Destinationsansatz fehlt bisher noch. Wird der SCR Altach mit seiner Vision der Vorarlberg Arena ein erstes Zeichen setzen? Jens Leonhäuser, Geschäftsführer von Steilpass spricht im Interview über wahre Revolutionen, zugige Stadien und mehr Mut zu kreativem Gestaltungswillen.

Im Veranstaltungsmarkt buhlen immer mehr Player um die Aufmerksamkeit von Besuchern. Arenen werden zu einem wichtigen Teil einer gesamtheitlichen Event-Experience. Welche Anforderungen werden Arenen erfüllen müssen?
Leonhäuser: Die allermeisten Arenen haben, zumindest im Public Bereich, großen Nachholbedarf bei der Verweilqualität vor Ort. Eine Arena ist in der Regel kein Ort, an dem ich mich lange vor oder lange nach dem Spiel aufhalten möchte. Es fehlt an adäquaten Sitzmöglichkeiten, das Ambiente ist sehr nüchtern, der Wetterschutz ist häufig nicht geeignet, das Catering nach dem Spiel bietet keine Abwechslung. Deswegen wird das Spiel von vielen Fans in der nächsten gemütlichen Bar und nicht im Stadion bei ein paar Bier besprochen. Das vorherrschende Ambiente eines Stadions limitiert die Vereine zudem bei der Entwicklung zusätzlicher Angebotsformate abseits des reinen Sportevents oder Konzerts. Die Notwendigkeit der Digitalisierung sehe ich deshalb als nachgelagert. Solange der Fan z.B. sein Bier nach dem Spiel im Stehen in einem zugigen Stadionumlauf trinken muss, nutzt ihm auch kein superschnelles Wlan.
 
Wie sehen nachhaltige Strategien aus, um ein Stadion auch abseits von Fußball zu nützen?
Leonhäuser: Bei einer ökonomisch nachhaltigen Nutzung geht es in erster Linie um die Schaffung von Synergien über verschiedene Nutzungskomponenten hinweg. Dabei kann es durchaus Sinn machen, sektorenübergreifend über den Sport hinaus zu denken. Unterscheiden muss man hier, was das Stadion als Immobilie, z.B. mit einer entsprechenden Mischnutzungsstrategie, leisten kann und welche Synergien sich durch die Einbeziehung des räumlichen Umfelds generieren lassen (Destinationsansatz). Ein Stadion mit 55.000 Sitzplätzen und einem Zuschauerschnitt von 25.000 Zuschauern ist vermutlich keine Cash-Cow und wird von der Stadt quersubventioniert werden müssen. Über Umnutzungsstrategien kann man hier gezielt überlegen, welche weiteren Nutzungselemente permanente Pachteinnahmen generieren und gleichzeitig Synergieeffekte erzeugen können. Das Einnahmedefizit kann so gezielt reduziert werden, ohne dass der Sport oder das Erlebnis in irgendeiner Form leiden müssen. Dieser Schritt benötigt aber den Mut, alte Zöpfe abschneiden zu wollen und neue Wege zu gehen. Der Destinationsansatz bietet natürlich noch größere Chancen. Hier werden Arena und räumliches Umfeld aufeinander abgestimmt und interagieren wirtschaftlich. Das Ziel sollte die 365 Tage Arena Destination sein.
 
Können Sie Beispiele dafür nennen?
Leonhäuser: In den USA gibt es hier beeindruckende Projekte, z.B. bei den Dallas Cowboys zusammen mit Omni Hotels & Atlanta Braves oder der Entertainment Detroit mit einem MLS Stadium, Entertainment, Retail, Hospitality und offener Fußgängerzone. In den DACH Ländern gibt es Überlegungen und erste zarte Schritte in diese Richtung. In der Schweiz gibt es einige Mischnutzungskonzepte für Stadien, wie z.B. den Lipo Park in Schaffhausen, das Stade de Suisse in Bern, der Kybunpark St. Gallen jeweils mit Retail, Büros, Gastro und Sport. Borussia Mönchengladbach hat meines Wissens um einen Außenbereich (Biergarten) und Hotel erweitert, um nur einige Beispiele zu nennen. Wobei sich die meisten Beispiele eher auf eine Mischnutzung im Stadion bezieht. Einen vollständig ausdifferenzierten und integrierten Destinationsansatz sehe ich noch nicht. Ich könnte mir aber vorstellen, dass der VfL Wolfsburg mit der VW Arena, der VW Autowelt und der VfL Fußballwelt auf einem vielversprechenden Weg ist. Und mit der Vision Vorarlberg Arena ist natürlich der SCR Altach zumindest konzeptionell auf einem sehr guten Weg zur 365 Tage Destination.

Was wird in wenigen Jahren State of the Art sein?
Leonhäuser: Nachdem Stadien ein Lebenszyklus von mindestens 20-30 Jahren haben, erwarte ich Revolutionen nur bei Neubauten oder Arenen, die das räumliche Umfeld integrieren können (Beispiel SCR Altach). Die Entwicklung im Bestand wird vermutlich hin zu einer stärkeren Digitalisierung gehen, bei der das individuelle Smartphone der Schlüssel sein wird. Ob dies reicht, das Fanerlebnis substantiell zu verbessern oder gar neue, stadiongebundene Monetarisierungspotenziale zu erschließen, wird man sehen. Die Hospitality-Bereiche werden sicherlich sukzessive moderner und exklusiver. Ich hoffe nur, dass die Vereine hier mutiger werden, um durch unverwechselbare Gestaltung und Kreativität echte Identifikation zu schaffen und nicht nur die nächste Hotellobby kopieren. Die Chancen sind hier riesig. Auch für den Public Bereich würde ich mir mehr Mut und kreativen Gestaltungswillen erhoffen: Sichtbeton und Stahl sind architektonisch natürlich immer chic, schaffen aber nicht wirklich Ambiente und Verweilqualität.
 
Wie sieht die Arena der Zukunft aus?
Leonhäuser: Je nach Lage und Standort einer Arena wird die Entwicklung vermutlich sehr unterschiedlich verlaufen: vom reinen Sportstadion bis hin zur 365 Tage Destination werden wir vermutlich alles erleben. Die Arena als monolithischer Sporttempel wird es vermutlich zunehmend schwerer haben, im Wettbewerb zu bestehen. Arenen haben das Potenzial, zu urbanen und kulturellen Begegnungsstätten zu werden die an 365 Tagen im Jahr Frequenz generieren. Fans, Bürger und Touristen genießen dann ihren Aufenthalt in einer abwechslungsreichen Umgebung mit einem bunten und vielfältigen Angebot aus Gastronomie, Erlebnisangeboten, Grünflächen, Outdoor-Angebot, Kino, Hotel, Events, Kongressen, Sport und vielem mehr.

Vielen Dank für das Interview!